Dr. Max Stadler Startseite


Pressemitteilungen Fraktion

11. 06. 2011

BRÜDERLE-Interview für den "Spiegel"

Berlin. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, RAINER BRÜDERLE, gab dem "Spiegel" (aktuelle Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten RALF NEUKIRCH und MICHAEL SAUGA:

Frage: Herr Brüderle, was unterscheidet die FDP unter Philipp Rösler von der FDP unter Guido Westerwelle?

BRÜDERLE: Die FDP ist und bleibt die Partei der Freiheit. Jeder Vorsitzende hat seine eigene Biographie und seinen Stil, diese Botschaft zu vermitteln. Guido Westerwelle hat die FDP in der Opposition erfolgreich gemacht und mit einem sehr starken Ergebnis in Regierungsverantwortung gebracht. Philipp Rösler wird mit seinen Stärken und Fähigkeiten die FDP als Regierungspartei erfolgreich führen.

Frage: Uns scheinen die Gemeinsamkeiten zwischen neuer und alter FDP zu überwiegen. Als Westerwelle FDP-Chef war, trat das schwarzgelbe Bündnis als Streitkoalition auf, in der die Liberalen kaum etwas durchsetzen konnten, und so ist es unter Rösler geblieben.

BRÜDERLE: Wie kommen Sie darauf? Die FDP hat viel erreicht. Wir sind mit einem
24-Milliarden-Euro-Entlastungspaket gestartet. Wir haben die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der Aufschwung lang anhaltend ist und wir uns der Vollbeschäftigung nähern. Wir haben die Aussetzung der Wehrpflicht durchgesetzt. Wir werden weiter für unseren liberalen Markenkern aus Sozialer Marktwirtschaft, Steuergerechtigkeit,
Bürgerrechten und Bildung kämpfen. Dass in einer Koalition hart gerungen wird, ist normal. Wichtig ist, dass man die gemeinsamen Ergebnisse anschließend auch erfolgreich verkauft. Das werden wir noch besser machen.

Frage: Davon ist wenig zu spüren. Ihr Parteichef hat auf dem Parteitag angekündigt, die FDP werde jetzt liefern. Glauben sie, Ihre Anhänger haben darauf gewartet, dass ihnen ein beschleunigter Atomausstieg beschert wird?

BRÜDERLE: Wir müssen anerkennen, dass die Katastrophe von Fukushima eine Zäsur darstellt. Es gibt einen breiten Konsens in der Bevölkerung, dass wir schneller aus der Kernenergie aussteigen müssen, als das bisher geplant war. Darauf muss verantwortungsvolle Politik Rücksicht nehmen und reagieren.

Frage: Das Problem ist nur, dass die Bürger Ihnen diesen 180-Grad-Schwenk nicht abkaufen. Schließlich hatten Sie vor wenigen Monaten noch beschlossen, die Laufzeiten der Reaktoren zu verlängern.

BRÜDERLE: Wir wollten von Anfang an den Weg in das Zeitalter erneuerbarer Energien gehen. Das war Ziel unseres Energiekonzeptes. Dabei bleibt es. Nur die Geschwindigkeit ändert sich. Wir stehen für einen Ausstieg mit Vernunft und für eine Energieversorgung, die sicher, bezahlbar und umweltfreundlich sein muss.

Frage: Ihr Koalitionspartner versteht unter Vernunft etwas anderes als Sie. Die FDP hat bei den Verhandlungen kaum etwas durchsetzen können.

BRÜDERLE: Das ist falsch. Es war unsere Forderung, die Folgekosten von Kernenergie nicht alleine auf die Steuerzahler umzuwälzen. Deshalb die Beibehaltung der Brennelementesteuer für die Betreiber der Kraftwerke. Es war auch unsere Forderung, bei der Förderung der erneuerbaren Energien auf wettbewerbliche Elemente zu achten und die Überförderung bei der Photovoltaik zurückzufahren. Und die Gefahr von Stromengpässen in der Übergangsphase haben wir durch die Beibehaltung eines
Kraftwerkes als stille Reserve vermindert. Der Atomausstieg trägt deutlich liberale Züge.

Frage: Gegen den erklärten Willen der FDP hat die Union fixe Ausstiegsdaten für jedes einzelne Kraftwerk durchgesetzt. Ist das realistisch?

BRÜDERLE: Es bedeutet jedenfalls eine enorme Kraftanstrengung. Um die abgeschalteten Reaktoren zu ersetzen, müssen wir verstärkt Gas- und Kohlekraftwerke in Betrieb nehmen. Wir brauchen kürzere Planungszeiten bei diesen Alternativkraftwerken. Gleichzeitig müssen wir unser Stromnetz massiv ausbauen, damit zum Beispiel die Windenergie vom Norden in die Verbrauchszentren im Süden fließen kann. Die Netzstabilität muss gewährleistet bleiben. Die Bundesnetzagentur hat ja auf die
Herausforderungen diesbezüglich hingewiesen und vor Stromausfällen gewarnt. Das haben wir im Blick.

Frage: Vor einem Jahr haben Sie für längere Atomlaufzeiten gekämpft, um den Strompreis stabil zu halten. Müssen sich die Bürger auf höhere Preise einstellen?

BRÜDERLE: Wahrscheinlich schon. Heute kostet die Kilowattstunde Strom aus Kernkraftwerken rund 4,5 Cent. Strom aus erneuerbaren Quellen ist momentan noch wesentlich teurer. Zudem werden der Netzausbau und der Neubau von Gaskraftwerken zusätzlich Geld kosten. Der Atomausstieg ist nicht zum Nulltarif zu haben. Das müssen wir den Menschen ehrlich sagen.

Frage: Die Menschen vertrauen aber eher den Grünen. Die predigen seit dreißig Jahren, dass der Atomausstieg machbar ist. Und nun bestätigt ihnen ausgerechnet die schwarzgelbe Koalition, dass sie damit richtig lagen.

BRÜDERLE: Im Gegenteil. Wir zwingen die Grünen, Farbe zu bekennen. Wer aus der Atomkraft aussteigt, muss in erneuerbare Energien einsteigen und zwar mit all den Konsequenzen, die das für Natur und Landschaft sowie die Lebensumstände in der Nachbarschaft bedeuten können. Ich erwarte, dass sich die Grünen künftig mit großen Schildern auf die Straße stellen, auf denen steht: "Hochspannungsleitungen sind nötig!"

Frage: Dass Sie die Grünen auf diese Weise entlarven können, glauben nicht mal Ihre eigenen Parteifreunde. Der sächsische FDP-Chef Holger Zastrow fürchtet, dass mit der schwarz-gelben Energiewende eine Planwirtschaft nach dem Muster der früheren DDR geschaffen wird.

BRÜDERLE: Das sehe ich nicht. Wie der Strom produziert wird, darüber entscheiden weiter die Energieunternehmen. Und der Strompreis wird wie bisher nach Angebot und Nachfrage an der Strombörse gebildet.

Frage: Aber der Staat gibt vor, wie sich der Anteil des Ökostroms in den nächsten Jahren entwickeln soll und welche Energietechnologien mit welchen Beträgen gefördert werden. Wenn das keine staatliche Lenkung ist.

BRÜDERLE: Der Staat gibt die Richtung vor und schafft die Rahmenbedingungen. Das ist unvermeidlich, wenn wir unsere ambitionierten Ziele in der Energiepolitik erreichen wollen. Allerdings sollte er dies so marktwirtschaftlich wie nur irgend möglich tun.

Frage: Bezahlen werden die Energiewende die privaten Haushalte sowie kleine und mittlere Betriebe, deren Stromrechnung deutlich steigen wird. Ist das der Atomausstieg mit liberalen Zügen?

BRÜDERLE: Wie gesagt: Den Ausstieg gibt es nicht zum Nulltarif. Bezahlen müssen wir alle, die Stromkunden, die Steuerzahler. Aber wir stehen vor einer gesamtgesellschaftlichen Herausforderung. Darin sehe ich auch enorme Chancen.

Frage: Wenn man Sie so reden hört, hat man nicht den Eindruck, dass Sie sich mit dieser Grundentscheidung wohlfühlen.

BRÜDERLE: Die FDP hat auf ihrem jüngsten Parteitagen mit großer Mehrheit den schnelleren Ausstieg beschlossen. Dazu stehe auch ich.

Frage: Spricht nicht vieles dafür, dass das Herz der Kanzlerin nicht mehr an dieser Koalition hängt? Ihr war es doch offenkundig wichtiger, den Grünen entgegenzukommen als der FDP.

BRÜDERLE: Unsere Energiepolitik trägt liberale Züge. Darauf kommt es mir an. Grundsätzlich gilt für Koalitionen: Sie sind pragmatische Bündnisse auf Zeit. Diese Koalition ist mit deutlicher Mehrheit für vier Jahre gewählt. Die FDP will den gemeinsamen Erfolg. Darauf konzentrieren wir uns.

Frage: Die FDP steht als Verliererin des Atomkompromisses da. Von ihren Prinzipien ist wenig zu erkennen. Ist das der Grund, warum FDP-Generalsekretär Christian Lindner die politische Verantwortung für die Energiewende nun der Kanzlerin und CSU-Chef Horst Seehofer zuschiebt?

BRÜDERLE: Es gehört zur Rolle eines Generalsekretärs, dass er die Eigenständigkeit und Grundpositionen der eigenen Partei herausstellt. Lediglich das hat Christian Lindner getan. Wir haben in der Koalition einen guten Kompromiss mit liberaler Handschrift getroffen, den wir alle tragen.

Frage: Warum sind sie nicht Wirtschaftsminister geblieben? Sie wirkten ganz zufrieden in ihrem Job.

BRÜDERLE: Mir hat die Aufgabe als Wirtschaftsminister viel Freude gemacht. Aber Politik ist ein Mannschaftsspiel, zu dem Änderungen in der Aufstellung gehören. Ich bin jetzt mehr für den Spielaufbau zuständig und gehe sehr motiviert an diese Aufgabe heran.

Frage: Um in ihrem Bild zu bleiben: Neustart heißt, dass man die gleiche Mannschaft auf den Platz schickt und die Spieler nur die Positionen wechseln?

BRÜDERLE: Entscheidend ist, dass man am Ende gewinnt. Und das werden wir.

Frage: Was darf man da noch erwarten?

BRÜDERLE: Ein zentrales Thema für die FDP wird sein, wie wir die Stabilität des Euro bewahren können.

Frage: Ist das ihre Art, neue Hilfsprogramme für Griechenland anzukündigen?

BRÜDERLE: Nein, aber wir müssen klare Kriterien für neue Hilfen formulieren. Entscheidend wird sein, dass Griechenland die notwendigen Reformen umsetzt. Der Empfänger von Solidarität muss alles tun, um die Ursache seiner Situation zu ändern Solidarität kann keine Einbahnstraße sein.

Frage: Und wer soll beurteilen, ob die Voraussetzungen stimmen?

BRÜDERLE: Das müssen unabhängige Instanzen wie die Europäische Zentralbank, die EU-Kommission und der IWF machen.

Frage: Die Politik soll keinen Einfluss mehr auf die Frage haben, ob neue Hilfe gewährt wird?

BRÜDERLE: Es ging um die Frage, wer die Voraussetzungen prüft. Dazu brauchen wir die Expertise von unabhängigen Instanzen. Dann muss selbstverständlich jede neue Hilfe vom Bundestag beschlossen werden, in jedem einzelnen Fall. Das ist wie bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr.

Frage: Sie sind jetzt 65 Jahre alt und gehören damit eher zu den älteren Semestern in der neuen FDP-Führung. Wollen Sie eigentlich über die kommende Bundestagswahl hinaus in der Politik bleiben?

BRÜDERLE: Wir wollen die nächste Bundestagswahl gemeinsam gewinnen. Leidenschaft und Engagement für die Idee der Freiheit sind doch keine Frage des Alters.

Download der gesamten Pressemitteilung im PDF-Format:
fdk_Bruederle-Spiegel.pdf (2011-06-11, 24.97 KB)


zur Übersicht


URL dieser Seite: /wcsite.php?wc_c=20788&wc;_lkm=&id;=15618&suche;=AK%204:%20Innen%20und%20Recht